Dienstag, Januar 29, 2013

Rehalligalli (7a) - Frau Husell: Komödie in einem Akt

Bühnenbild: Der Schulungsraum mit unglücklich positionierter Säule, die 50% der Anwesenden den Blick auf die Leinwand verstellt. Ein Beamer an der Decke, ca. 2.10 hoch. Pult für Laptop. Das Übliche.

Die Darsteller: Die heitere Patientenschar (HP) und Frau Husell (FH).

Die Schulung 'Rehabilitationskonzept im Carolinum' sollte laut Plan um 17.30 beginnen.

Die HP: Ist anwesend, unterhält sich, wie sich Menschen unterhalten, wenn man auf jemanden wartet. Wie üblich hat man die Therapiepläne zur Abzeichnung durch den Therapeuten am Pult gestapelt abgelegt. Die Zeit läuft, man wartet und redet.

Die Zeit läuft, es wird 17.45. Die ersten Witze kursieren darüber, dass jemand ins Lehrerzimmer geschickt werden müsse. Heiterkeit greift um sich, einige Patienten nicken ein.

FH bleibt eine mytische Gestalt und somit für Sterbliche unsichtbar.

17.50, vom Gang trommelt das hektische Gestöckel zu hoher Absätze in der Kombination mit 'zu spät, zu spät' herein, kurz darauf gefolgt von einer gut erhaltenen aber leicht billig wirkenden Endfünfzigerin, die mit jeder Faser ihrer Existenz die Trauer um ihre verwelkte Jugend atmet. In Kombination mit zu viel Insektenvernichter, welchen sie statt Parfum trägt, ein wahrlich atemberaubender Auftritt. Kurz, FH rauscht in den Schulungsraum, legt die Laptoptasche auf das Pult, beginnt auszupacken und zu reden.

FH: Tschuldigung ich bin zu spät meine andere Gruppe hat mich aufgehalten und bitte, is kein Tadel, nur eine Bitte, legen sie die Zettel nicht vorne ab ich geh' lieber durch die Reihen und zeichne gegen aber das wissen sie nich aber fürs nächste mal bitte.

Sie beginnt neben dem immer noch laufenden Laptopauspacken damit, die Pläne abzuzeichnen und gleichzeitig unter Aufruf der abgezeichneten Anwesenden wieder auszuteilen. Hierbei wird die gesamte HP miteinbezogen, da sie die Zettel durchreichen lässt, was zu weiterer Heiterkeit führt. FH konzentriert sich nun voll auf die Laptoplogistik und reagiert arttypisch. Der Beamer ist noch aus und muss, um das zu ändern, erst erklettert werden. Sie schnappt sich einen Stuhl, erklimmt diesen und präsentiert dabei altersuntypisch stramme Waden an High-Heel-Stiefeln auf einem Spiegel von unzüchtigen nicht ganz blickdichten Nylonstrümpfen.

FH: Das dürfen sie nicht machen gell weil man aufm Stuhl nich klettern soll.

HP: Nickt wissend, der männliche HP-Teil präsentiert im Geiste Bewertungskarten mit eher hoher Punktzahl für die gelungene Wadenpräsentation.

Der Beamer läuft, genau wie die Zeit. Mittlerweile ist es 17.50 und um 18 Uhr ist Fütterung in Moria und wenn's um's Essen geht versteht die HP keinen Spass.

FH: (Brummelt vor sich hin, verflucht den Laptop nebst Beamer) Das Ding is... ich hab... ah...

HP: Amüsiert sich, guckt aber auch auf die Uhr.

FH beginnt plötzlich wieder durch die Reihen zu springen und noch nicht abgezeichnete Therapiepläne abzuzeichnen. Tumult entsteht, weil sie sich durch die Sitzreihen drücken muss. Sie beendet die Aktion und schaut kurzfristig verwirrt.

FH: Meinnameisthusellundeinigekennenmichvielleichtschonoderauchnicht... Ich bin hier im Hause.... Ich seh grad... nächste Woche... nee...

Sie nestelt am Laptop. Schaut in die Runde und ist sich sichtlich im Unklaren bezüglich der Essentialia ihrer Existenz.

FH: Eins vorab meine Schulung über 'Stressmanagement und Zeitplanung' hält am Donnerstag mein Kollege, weil ich da nicht kann.

[FACEPALM]

Rehalligalli (7) - Krustanbaden mit Wurst, Typ A

Mitbadender Typ A, Ulf Kravnik, wurde 1953 irgendwo in der Zone nähe einer Kreisstadt, die auf -itz endet geboren und trat im Alter von 16 Jahren in die Grenzstreitkräfte der NVA ein. Politisch bis ins Mark stalinisiert folgten einige Aufenthalte in Sibirien und Kamtschatka in den TraLags 'Wilhelm Pieck' und 'Leo Trotzki'. Hier lernte Ulf, dass die Kernkompetenz des Sozialismus weniger in der Herstellung wärmender Kleidung als in angewandter Bespitzelungstechnik besteht. Da aber ein Nachtsichgerät, auch wenn korrekt getragen, weniger wärmt als z.B. ein dicker Pullover, hat sich Ulf durch bolschewistische Konzentrationsarbeit und reine Willensanstrengung einen Pelz wachsen lassen mit dem Effekt, dass er nun selbst im komplett entkleideten Zustand aussieht wie ein malayischer Marderbär und genauso riecht. Dies brachte ihm zunächst den Spitznamen 'Fluse' ein, der nach Eintritt in die Dienste der Staatssicherheit durch 'IM Filz" ersetzt wurde.

Ulf verbrachte die letzten Jahre in der DDR als berittener Grenzschützer, Abteilung Republikfluchtvermeidung und war der letzte Oberst, der noch weit bis ins Jahr 1990, in seinem Grenzturm verbarrikadiert, mit einem Kindererbsengewehr auf passierende Trabbis feuerte. Die Wiedervereinigung wird von ihm bis heute als üble Propaganda geleugnet und als Zeichen seiner DDR-treue schwimmt er einmal pro Monat splitternackt durch die Weiße Elster und zwar der Länge nach. Das erwünschte mediale Echo blieb ihm bisher verwehrt und deswegen ließ er sich auf Anraten seines Abschnittssanitäters zur Kur in Bad Karlshafen überreden.

Hier trifft er nun regelmäßig mit kapitalistischen Imperialisten zum aquatischen Gruppenevent zusammen und verliert Haare. Ulf stößt Haare ab wie Großinvestoren Aktien kurz vor Jahresende. In zwei Meter Umkreis um Ulf dümpelt permanent eine dichte Wolldecke auf dem Wasser wie der Smog über Peking, die aufgrund strömungstechischer Besonderheiten auch in diesem Umkreis bleibt, egal wie sehr sich Ulf auch bewegt. Deswegen wirkt es immer so, als trüge Ulf einen langen Filzrock, der im Wasser aufschwimmt. Das verwirrt nicht nur die Therapeuten. Darauf angesprochen reagiert Ulf unwirsch aber letztlich einsichtig und verspricht, sich am nächsten Abend komplett zu eppilieren, entsprechende Gerät würde er sich beim Gärtner ausleiehen.

Doch ähnlich einem Play-Doo Männchen wächst das Haar überall sofort bis zur Länge von 5 cm nach und beginnt sich dann zu kringeln.

Ulf immitiert beim gruppenbaden Entengeräusche und belästigt weibliche Mitbadende wie ein pfälzer Splitterparteivorsitzender mittels sächsischer Altherrenwitze, die aber niemand versteht und deswegen auch niemanden interessieren.

Morgen ist wieder Krustenbaden. Dann lege ich ein Banane auf die Terrasse und schließe Hinter Ulf ab, wenn er danach schnappt.

Montag, Januar 28, 2013

Rehalligalli (6a) - Über das Lachen

Alle Menschen lachen. Manche sagen, das Lachen unterscheide den Menschen vom Tiere. Junge Menschen, gar Kinder, lachen, erwachsene Menschen lachen und, ja, alte Menschen lachen auch. Das Lachen männlicher Menschen ist dabei immer das Schönere. Der männliche Lacher ist wie alles Männliche, kurz, prägnant und im ganzen wohlgeformt, gelegentlich sogar imposant. Das weibliche Lachen hingegen hat immer die Tendenz zum nervigen. Sei es das dümmliche Kichern enthirnter Silikonikonen a la Verona oder aber auch das keifende Keckern aggressiv-missgünstiger Marktweiblein.

Was aber garnicht geht, ist das Lachen alter Frauen. Gemeint sind hierbei nicht die "ganz" alten, deren Lachen sich auf ein nur von Hunden hörbares Zirpen beschränkt, sondern diejenigen Alten in der Güteklasse 'post-meno-pausal' bis 'Renteneintrittsalter und Mann lebt noch'.

Ich denke, hier eine Art Standardlachen erkennt zu haben. Und das ist nicht schön.

Vorab sei erwähnt: Die erwähnte Kategorie Frau lacht überall und überall laut. Sie hat n Kinder großgezogen, unendliche Mengen Butterbrote für Männe geschmiert und mehrere Dielenböden in mehreren Mietwohnungen durchgescheuert. Sie hat gegen Ende ihrer Karriere mindestens 20 benachbarte Familien an den Hausmeister wegen Ruhestörung und Nichtbeachtung der Kehrwoche denunziert und ist bei der Polizei in einem eigenen Ordner abgeheftet, weil sie als zuverlässige Beobachterin des ruhenden Verkehrs für 50% der jährlichen Bußgeldeinnahmen des lokalen Polizeireviers verantwortlich ist. All dies bererchtigt sie, zu lachen. Immer, überall, laut und ausdauernd.

Und halt auch im Speisesaal, besser bekannt als Moria.

Der Lacher kündigt sich nicht an. Tiere, die normalerweise Erdbeben lange vor dem Menschen spüren, teilen was die Vorhersehbarkeit dieses speziellen Lachens betrifft, dessen komplette Unfähigkeit. Tiere mit besserem Gehör als dem menschlichen neigen darüber hinaus dazu, danach an Innenohrsturzblutungen schmerzhaft zu verenden. In der Nähe dieser lachenden Frauen sind zum Beispiel Fledermäuse meist ausgestorben oder gehören zur seltenen Art des Kleinen Tauben Trottelohrs, welche aus zoologischer Sicht deshalb so beachtlich ist, weil es die einzig taube UND blinde Fledermausart ist, die sich mittels ihres Tastsinnes orientiert, was sie zur einzig am Boden entlang kriechenden Fledermaus der Welt macht.

Nun, der spezielle Lacher kommt überraschend und semi-eruptiv. Als Präludium genießt der unfreiwillige Zuhörer ein ebenso fulminantes wie überraschendes "Haaaaa...", welches je nach Erheiterungs oder auch Verbitterungsgrad zwischen einer und zehn Sekunden dauern kann. Dieser Auftakt dient dazu, die Aufmerksamkeit aller sich in diesem akustischen Ground-Zero Befindlichen auf die Protagonistin zu lenken. Hierbei eruptiert die Lachende explosionsartig ihr gesamtes Lungenvolumen mit einer höheren Mündungsgeschwindigkeit als ein handelsübliches Niesen. Dabei liegt es in der Natur der Sache, dass alles sich in der Mundhöhle befindliche Material mit nach außen geschleudert wird. Manches dieses Materials landet entweder in benachbarten Tellern oder tritt spontan in eine erdnahe Umlaufbahn ein.

Nach der imposanten Eröffnung folgt der Spannungsbogen. Hierbei verharrt die Lachende am Punkt völliger pulmonarer  Leere. Quasi katatonisch scheint sie sich nicht entscheiden zu können, ob sich ein weiteres Einatmen lohnt oder ob es doch den ganzen Aufwand nicht Wert ist. Man kennt diese Phasen trügerischer Stille von Hurrican-Zentren oder auch vom Kinderweinen, dann, wenn die doofen Blagen mal wieder zu dumm waren und hingefallen sind und sich erst vergewissern müssen, dass irgendwelche Erwachsene anwesend sind und es sich definitiv lohnt, wie depp loszubrüllen.

Kinder, ganz im Gegensatz, weinen NICHT, wenn sie unbeobachtet hingefallen sind, weil Kinder sich nicht weh tun und alles rumgeheule nur der Show geschuldet ist.

Diese Chance hat man bei der Lachenden nicht. Sie schiebt immer den dritten Akt nach. Und der ist nochmal beachtlich und lässt auf ein fulminantes Ende hoffen. Zwanzig Liter Altweiberlungenvolumen werden asthmatisch röchelnd gefüllt und man meint, Kondensstreifen am Einsaugkanal erkennen zu können. Kleinere Gegenstände der Umgebung werden wie durch einen Industriestaubsauger eingesogen, kleine Kinder halten sich wie Bänder im Sturm flatternd an was auch immer fest, wenn sie nicht im Zentrum dieses Malstroms ein allzu frühes Ende erleiden wollen. Der eine oder andere Kleinsäuger wird danach nicht mehr gefunden werden. Wahrscheinlich wird das Bermuda-Dreieck so erklärbar.

Der vierte und letzte Akt ist enttäuschend. Würde man jetzt noch einen quasi abschließenden Paukenschlag erwarten, passiert lediglich folgendes: He-he-he... mit abflachender Lautstärke.

Dann herrscht Ruhe. Umfassend und verstockt. Überlebende kriechen unter den Trümmern hervor, schauen verwirrt und verständnislos in eine für sie nun fremd gewordene Welt. Das eine oder ander Trümmerstück fällt noch irgendwo unbeachtet zu Boden und erschlägt ein Kind und ganz in der Ferne hört man das Anlaufen von Sirenen. Menschen machen sich mit leerem oder irrem Blick auf den Weg zum nächsten Notlager des THW, Krisenreaktionskräfte der Bundeswehr beginnen mit der Wiederherstellung grundlegender Infrastruktur und die Zivilisation beginnt mit einem neuen Anlauf.

Wie gesagt: Nicht schön.

Rehalligalli (6) - Stangerbad

Oder: Einer flog über das Kuckucksnest

Was das Stangerbad ist kann man auf Wikipedia nachlesen, allerdings wird dort der Effekt des Bades nicht vollumfänglich beschrieben. Der Effekt ist nämlich dem einer behaglichen Elektroschocktherapie, wie sie zum Beispiel in amerikamischen Rehabilitationseinrichtungen in Guantanamo-Bay oder Abu Ghreib verabreicht wird, nicht unähnlich. Wenn man seinen Körper 20 Minuten der naheliegenden Kombination aus Wasser und elektrischem Strom ausgesetzt hat fühlt man sich so wie Jack Nicholson im oben erwähnten Film. Ist es die komplette Tiefenentspannung oder absolute körperlich geistige Erschöpfung, egal. Auf jeden Fall hast du danach die sprühende Dynamik eines optimal fokusierten indischen Extremgurus, der seit 10 Jahren mit dem Kopf im Uferschlamm des Ganges steckt und dabei Verse aus dem Buch Shiwa rezitiert.

Und gerade wenn du dir jetzt nichts sehnlicher wünschst, als einfach mal 12 Stunden bewegungslos überm Zaun zu hängen, scheucht dich der Therapieplan in die Gruppenkrankengymnastik. Und der Therapieplan ist nicht verhandelbar. Der Plan genießt Absolutheitsanspruch und gewinnt an Brisanz, da jede Anwendung vom jeweiligen Therapeuten abgezeichnet werden muss. Bei einer nicht abgezeichneten Anwendung wird man strenge ermahnt, bei zweien erfolgt die peinliche Befragung durch den Chefarzt, bei dreien gibts Bestrafung in Form des Zwangsverzehrs von zweimal Diätmittagessen plus Pfefferminztee, überwacht vom Rezeptionsfass Hilde. Niemand will das.

Ich will wieder arbeiten.

Sonntag, Januar 27, 2013

Rehalligalli (5) - Zivilisation

Versteckt hinter dem Hinterausgang von Moria steht versteckt und unbeleuchtet aber voll funktionsfähig ein Getränkeautomat. Als gezielter Anschlag auf den Säure-Base-Haushalt aller Patienten gibt das Gerät tatsächlich gegen einen nicht unbedeutenden Obulus Coca-Cola heraus. Wirklich überraschend dabei ist, dass der Weg zum und vom Automaten nicht gepflastert ist von durch plötzlichen Koffeintod dahingeraffter Konsumenten. Immerhin ist die im Hause gepflegte Diät nicht dazu angetan, die Resistenz gegenüber Konsumgifte jeglicher Art zu erhöhen. Nach einer Woche Carolinum-Mampf reagiert der menschliche Körper doch eher ablehnend gegen alles, was nicht Wasser ist. Da kann jede Cola schnell die letzte sein.

Aber vielleicht räumen sie die Leichen auch nur regelmäßig weg? Kann alles sein.

Trotzdem haben sich meine Überlebenschancen dramatisch erhöht.

Freitag, Januar 25, 2013

Rehalligalli (3) - Wasser für Mannis Opa

Im Haus gibt es zwei Wasserspender. Unauffällige Apparate, die Wasser spenden. Damit wir nicht wie die Kamele das Wasser direkt aus der Zotte nuckeln müssen, hat man uns eine Flasche gegeben, die wir behalten dürfen. Das Wasser ist umsonst und die Verteilung folgt der Free-Refill-Ideologie. Der Effekt dessen ist, dass sich vor den Wasserspendern regelmäßig lange Schlangen Zapfwilliger sammeln. Immerhin ist das Wasser ja umsonst und wenn was umsonst ist erwacht der Sammler im Deutschen. Gelegentlich kann man beobachten, wie die Leute die Flasche füllen, diese hektisch und wie die Molche auf der Herdplatte ausnuckeln, um sie dann erneut bis zum Überlauf auffüllen. Man weiß ja nicht, wann's mal wieder was gibt.

Laut Aussage der stationierten Diätassistentin spendet der Apparat das beste Wasser, das es in Deutschland gibt, also: Leitungswasser. Es unterscheidet sich in exakt nichts von Wasser, welches im Zimmer oder von mir aus auch im Garten aus dem Hahn kommt.

Aber wahrscheinlich ist es da einfach nicht umsonst genug.

Donnerstag, Januar 24, 2013

Rehalligalli (2a) - Omitransit

Omitransit, der: Sammelbegriff für ein häufiges aber faszinierendes mikro-astronomisches Ereignis im geriatrischen Klinikuniversum. Der O. bezeichnet Annäherung und Vorüberziehen einer rollatorgestützten MEE (mobile elderly entity) mit anschließender Entfernung vom Beobachter. Im Gegensatz zum makro-astronomischen Transit, z.B. dem Venus-Transit, wird der O. mit Erreichen des Transitscheitels akkustisch begleitet. Das O.-Objekt stößt im Zenit des O. regelmäßig Laute von bis dato noch ungeklärtem Bedeutungsinhalt aus. Neuere Forschung untersucht zwar die These, es würden atavistische Grußformeln ausgestoßen, Belege hierfür kann die Wissenschaft aber noch nicht vorlegen. Je nach Reifegrad des MEE kann ein O. Zwischen 5 Minuten und 1 Stunde dauern. Häufungen von Os sind örtlich und zeitlich bekannt, z.B. auf Zebrastreifen und Bushaltestellen in der Nähe von Kureinrichtungen oder immer dann, wenn man es mal wieder eilig hat. Dem O. verwandt ist der Opatransit. Handelt es sich zwar um ein sehr ähnliches Naturphänomen, wird der Op. zusätzlich von einem olfaktorischen Element begleitet.

Rehalligalli 2 - 70 Gramm Fett

70 Gramm Fett. Soviel steht mir als nicht diätisch eingeschränkter Insasse pro mittäglicher Fütterung zu. Klingt wenig und provoziert sofort  Erinnerungen an tief im deutschen Volksunterbewusstsein verankerte Bilder von Lebensmittelkarten, auf welchen in tabellarischer Form und in Fraktur gesetzt die Mengen Lebensmittel notiert waren, die jedem Volksgenossen in jenen Zeiten der nationalen Entbehrung zustand.

Mir stehen ohne Volk und Entbehrung 70 Gramm zu. Das soll 2100 Kalorien entsprechen. Wie man diese aber in 3 mikroskopische Stücke Fleisch verpackt, die sogar von einem eingefleischten Veganer verschluckt würden, ohne dass dieser Vishnu oder Ronald Mc Donald um Verzeihung anflehen müsste, hat sich mir nicht erschlossen. Vielleicht erklären sie uns das morgen um 8 Uhr in einer Schulung über gesunde Ernährung. "Kochen ohne Bluhmenkohl" oder so ähnlich. Auf jeden Fall herrscht hier noch die Einstellung, dass Gesundes nur geschmacksneutral und vegetarisch sein darf. Denn merke: Wenn's schmeckt, bringt's Dich um!

Zum Glück war die ganze Nummer aalso nicht gewürzt, so konnte es nicht schmecken und das macht den Abschied leichter. So hat alles seine Vorteile.

Positiv zu vermerken waren die ersten schüchternen Kontaktaufnahmen mit meinen Tischnachbarn. Wir chaben eine Russin, einen Ingenieur, einen mir noch unbekannten Menschen und eine arme Sau namens Schultz. Sich mit diesen Leuten zu unterhalten ist ähnlich gesund für die Psyche wie Escher-Bilder anzuschauen. Es dreht sich alles im Kreis. Jede Schilderung eigener Symptome ergibt als notwendige Replik die Schilderung anderer, aber natürlich schlimmerer und schmerzhafterer Symptome des Gegenüber. Kurz, es ist schon unglaublich, wie lange und angeregt man sich mit wildfremden Menschen unterhalten kann, wenn man nur die gleichen Krankheiten hat. Nicht auszudenken, was da soziodynamisch möglich wäre, wenn man über mehr Gemeinsamkeiten verfügte, wie z. B. einen gemeinsame Glauben an ein allmächtiges Wesen mit Leitungsfunktion.

Wir haben alle Rücken.

Mittwoch, Januar 23, 2013

Rehalligalli (1c)

Es IST ein Altersheim. Eine kurze Altersdurchschnittapproximierung beim Abendessen ergab den vorläufigen amtlichen Endwert von ca. 75, wobei das Alter des angebotenen Salats schwer in die Rechnung mit einging. Das Abendbrot - ja, hier passt der Begriff - ist von bedenklicher Konsistenz und Anmutung und wird hauptsächlich von der Art Klientel in die kukidentversiegelten Kauluken verfrachtet, die sich zeitgleich darüber auslässt, dass man in der guten alten Zeit über eine Scheibe Wurst froh war, gabs doch Fleisch eh nur einmal im Jahr und sogar das nicht, wenn der Russe wieder mal die Lastkraftwagen konfisziert hatte.

Die Stimmung im Speisesaal ist ähnlich ausgelassen wie in einem Sterbehospiz für  verwaiste Hundewelpen und eher von konzertriertem Aktionismus geprägt. Immerhin ist der Weg des Brotes an der zittrigen Hand ein weiter und auch ist die Spannkraft des oralen Schließmuskels eher volatil. Da bleibt kein Raum für eitles Geschnatter. Ausserdem hat zu Tisch Ruhe zu herrschen!

Vor diesem Hintergrund bin ich heilfroh, dass ich mir in einem luziden Augenblick im benachbarten Aldi (Nord!!! Es gibt keinen Gott!!!) noch eine Prinzenrolle geholt habe. Das sollte das nächtliche Überleben sichern. Eventuell dann noch fehlende Kalorien werden per Bier zugeführt. Das ist zum einen guter Brauch, zum anderen zementiert dieser gezielte Verstoß gegen die Hausordnung hoffentlich die Grundlage für eine vorzeitige Entlassung.

Gleich läuft im Aufenthaltsraum Matlock und Golden Girls als Double Feature. Da muss ich dabei sein.

Morgen werde ich an meiner Arbeit über die verschiedenen Arten von Rolatoren weiterschreiben.

Jetzt muss ich enden, gleich ist Einschluss.

Rehalligalli (1b)

Rehalligalli (1a)

Meine Vorstellung mit den Worten "Mein Name ist Koller und ich melde mich hiermit zum Haftantritt." fand nur wenig humoristische Resonanz bei dem fassartigen Geschöpf, welches mich "im Namen des Carolinums" begrüßte und mit ziemlicher Sicherheit auf den Namen Hiltrud, kurz Hilde, hört. Die direkt anschließende Belehrung, ich solle doch froh sein, überhaupt eine Kur genehmigt bekommen zu haben und Millionen andere Menschen würden mich beneiden, nordete mich allerdings umgehend auf den vor Ort gepflegten Duktus ein. Die Patientenansprache, und ein solcher ist man hier, ein Patient, erfolgt in Kursivschrift und belehrt. Alkohol ist in der Klinik unerwünscht und rauchen darf man in eigens dafür vorgesehenen Raucherpavillons. Das Verlassen der Klinik nach 23 Uhr ist ebenso unerwünscht und auswärts Nächtigen nur nach vorheriger Beurlaubung und auch dann nur wenn Hilde es verantworten kann.

Kurz, mir erschließt sich die ganze Tragweite meiner Situation noch nicht völlig. Ich vermute aber, die Soldaten der ersten Angriffswelle auf Omaha-Beach müssen ähnlich positiv in die nähere Zukunft geblickt haben. Ich bin sehr gespannt, was mich hier erwartet, wenn die Klappen meines Landungsbootes fallen und die brüllende Realität des K-Days über mir zusammenbricht.

XBox kann ich übrigens komplett knicken. Der TV im Zimmer stammt aus prä-Wende Resteproduktion des VEB Durchleuchtungsgerätebau Pirna und erlaubt in linientreuer Abschottungsdogmatik keinerlei Fremdgeräteanschluss.

Bisher deutet alles drauf hin, dass meine schlimmsten Befürchtungen wahr werden. Wer Mitleid für mich zu empfinden sich in der Lage sieht möge dies bitte jetzt tun.

Ich spüre, wie mein Hirn beginnt zu verkalken.

Rehalligalli (1)

Bad Karlshafen. Es gibt hier Eisvögel.

Das muss reichen für 3 Wochen.