Mittwoch, August 31, 2016

Putin charasho. Hitler kaput. - Krasnoarmeijsk

In Russland muss man sich als Tourist anmelden. Mehrfach. Manchmal täglich. Es gibt begründete Vermutungen, dass ein Teil des wirtschaftlichen Aufschwunges des Landes dem Umstand zu verdanken ist, dass die Putin-Administration Anmeldepersonal stochastisch über das Land verteilt und somit in Lohn und Brot gebracht hat, deren Aufgabe es ist, Menschen anzumelden oder, falls dies bereits geschehen ist, die Anmeldung zu überprüfen. Und so musste ich mich - Visum hin, 2 Stunden Passkontrolle am Flughafen her - auch in der nächstliegenden Kreisstadt anmelden. Aufgrund meines doch noch recht einsilbigen Russisch übernahm eine zum Glück mit meiner Frau befreundete Einheimische, die darüber hinaus auch noch Juristin und im Besitz einiger kompromittierender Fotos des lokalen Babo ist, die notwendigen Formalitäten, sodass das alles reibungs- und bestechungsgeldlos über die Bühne ging. Erwähnenswert dabei bleibt lediglich die durch westliche Denkmuster beeinflusste Vorstellung darüber, was die "nächstliegende Kreisstadt" ist. Unter "Kreisstadt" stellt sich der Bewohner der westlichen Welt ein Mittelzentrum aufstrebender Prägung vor, in welchem sich Tugend und Gemütlichkeit dörflichen Lebens mit der Ambition und der Mondänität städtischer Kultur vereinen.

Das kann so sein, muss es aber nicht.

Dass "Kreisstadt" auch ohne irgendeinen Anspruch an ein Anderssein als die nächste mikrobische Konglomeration auskommen kann, zeigt Krasnoarmeijsk. Krasnoarmeijsk, ehemals Balzer und deswegen als deutsche Gründung aus der guten alten Zeit zu erkennen, ist jene Kreisstadt. Der Name bedeutet soviel wie "Rote-Armeehausen" und wurde von Väterchen Stalin nur deswegen so genannt, um die verbliebenen Deutschen zu ärgern. Die lose Ansammlung nicht immer vollständig erhaltener Häuser verfügt über alles, was der Russe zum Leben braucht, was im Einzelnen ein Handyladen, ein bis zwei Kwas-Stände und ein lokaler -wie bereits erwähnt- Babo ist, der alles korrumpiert und den Laden am Laufen hält. Darüber hinaus verfügt es über die hinlänglich bekannten Marterstrecken für Gelenke und Achsen, die nur hartgesottene Euphemismenfreunde als "Straße" bezeichnen können. Hunde nagen scheu an verendeten Opfern des russischen Sozialsystems und mit Verlassen der Stadtgrenzen fällt das Atmen leichter.

Man munkelt, der Ort hätte nur deswegen noch alle Einwohner, weil die Flucht durch die Steppe nahezu unmöglich sei. Da ist was dran.

Bebauungslücken prägen das Stadtbild. Wo nichts ist, kann nichts verfallen.

Kwas in Hülle und Plastikfässern. Die Kunden passen sich figürlich an.

Antike trifft Altertum.

"Wenns noch steht, ist es von den Deutschen", sagen die Russen. Und die müssen es ja wissen.

Aktivhaus anno 1740. Warm im Sommer, frisch im Winter.

Mit Liebe zum Detail und Laissez-Faire im Groben. Wohnen heißt Leiden.

Fremder, tritt nur ein. Sei zu Gast bei Freunden.

Schule? KGB-Zentrale? Diversifizierung ist alles.

Infrastruktur ist Ansichtssache. Mit dem Land leben, nicht dagegen.

Nah am Mast gebaut reduziert Transportverlust.

Abstand zum Nachbarn verbessert das kommunale Miteinander.

Älter ist nicht immer hässlicher.

Religion ist immer auch eine Frage der Neigung.

Kulturpalast und Bibliothek. Alles für die Kinder.

Ein Herz für die kyrillische Schrift. Facebook a la Russe.

Nitschewo Hopfenstroh und der Mops sowieso.

Stadt, Dorf, Schlagloch: Nur echt mit Lenin.

Der russische Stechschritt im Bas-Relief. Nicht zuhause nachmachen!

Denkmal zu Ehren der Mutter, die die  Haltungsschäden der Kinder russlands betrauert.

Der Markt ist kompakt, übersichtlich, warenarm und zentral gelegen. Parkplätze sind die erste Stunde gratis.

Denkmal der sinnlosesten MG-Stellung des Großen Vaterländischen Krieges.

Auf dem Weg, sich tot übern Zaun zu hängen: russicher Hund.

Dienstag, August 30, 2016

Immer wieder ärgerlich:


die Lügenkresse!!!


Mittwoch, August 24, 2016

Hitze

liegt über der Stadt, dreifach gefaltet mit Schottenmuster wie die Decke über den arthritischen Knien eines Rentners, den der Zivi kurz nach dem Frühstück zum Luft schnappen nach draußen unter die Birke geschoben hat. Staubteufel tanzen über den flirrenden Restasphalt ausgebeulter Straßen, und halbwilde Hunde lecken an tropfenden Abläufen der auf 110 Prozent laufenden Klimaanlagen.

Aus der wie Perlmutt schillernden Luft schält sich ganz allmählich die sehnige Figur eines ganz in schwarz gekleideten Fremden. Er geht lauernd aber zielstrebig die Straße hinunter. Vorhänge bewegen sich. Vom Wind der nicht weht? Von neugierigen Einheimischen?

Der Fremde gibt einen Scheiss drauf. Keinen feuchten, dafür ist die Luft zu trocken, aber einen Scheiss, so oder so.

Die asthmatische Turmuhr schlägt 16 mal. Vier Uhr Nachmittag. Keine gute Zeit für das, was der Fremde vorhat. Aber auf die Frage, ob er eine Wahl hätte, hat der Boss nur gelacht. Also muss es jetzt sein. Er kneift die Augen zusammen. Versucht im Gegenlicht etwas zu erkennen. Blinzelt. Bleibt stehen und...

Da ist es.

Wie aus Höllengranit geschmiedet, die obszön großen Fenster nur wenig jalousiert, das pompöse Initial prängend zur Schau gestellt wie der Arsch eines Msntelpavianmännchens zur Brunftzeit.

"iTAC GmbH!" denkt der Fremde.

Eines Tages musste es ja Mal so weit kommen. Überheblichkeit und Stolz haben ihn hierher gebracht. Und eine gesunde Abneigung gegen ehrliche Arbeit. All das rächt sich jetzt.

"Montabaur." Kein Ausrufezeichen. Nur ein Punkt. Der Punkt hinter dem Satz, der seine Zukunft formuliert. Und dann kommt nur noch ein Wort:

ENDE

Samstag, August 20, 2016

Mittwoch, August 17, 2016

Putin charasho. Hitler kaput. - Sushi

Scheiss die Wand an, kaum lässt man die Buben mal 10 Jahre an der Freiheit schnüffeln, schon knallen sie ein Sushi auf den Tisch, das mit "amtlich" ganz treffend umschrieben ist. Der Reis ist weich und klebt, der frisch Fisch und die Soßen extremst schmackofatzig. Dazu eine Bedienung, die unterwürfig bis nett ist und das ganze zu einem Preis, über den der Westen lacht. Also der Sushi Pro-Tipp für Saratov:

Putin charasho. Hitler kaput. - Sag ich doch!

Dienstag, August 16, 2016

Putin charasho. Hitler kaput. - Markt.

Und Julia, meine Frau, wollte mir den ältesten Markt Saratovs zeigen. Was sie auch tat. Das Gebäude war, entgegen der Vermutung, eins der weniger maroden in der ganzen Stadt, was zum Teil auch daran liegt, dass er letztes Jahr komplett abbrannte und danach neu errichtet wurde. Jetzt sieht er aus wie die modernste Wartehalle Saratovs.

Ich wollte Fotos machen, wie immer in Märkten. Weil es da tolle Dinge zu fotografieren gibt und weil ich gerne Fotos mache.

So tat ich und auf einmal wurde es dunkel hinter mir. Ich drehte mich um und blickte ins wenig freundliche Gesicht von Iwan Drago, dem mittlerweile als Wachmann arbeitenden Ex-Gegner von Rocky. Mit der Stimme sich übereinanderschiebender Kontinentalplatten eröffnete er mir "Bratzt, shigulowskoje kak zshernobyl putinowskaja kasatshok stoi nie drug dawai!" und ich gefrohr zu Eis, auch wegen der 2.10 großen Uniform, die ihm leicht zu eng war.

Kurz bevor ich das recht der ersten Nacht an meiner Frau ihm vermachen konnte, kann selbige um die Ecke und bemühte sich um Aufklärung. Tatsächlich war einfach fotografieren im Markt wegen bestehender Terrorgefahr verboten, er wisse auch nicht so genau, was das helfen soll, es täte ihm leid aber er müsse das durchsetzen und deswegen musste ich alle Fotos vom Markt löschen. Was ich auch tat.

Albern, klar, aber nachvollziehbar.

Und hier ein Foto vom Markt. Es zeigt Banjabündel, mit denen sich die Russen in der Banja, so einer Art Sauna, gegenseitig verdreschen.

Putin charasho. Hitler kaput. - Butterbrot

Russisch gilt gemeinhin als schwere Sprache. Das ist auch zu 95% richtig. Aber hin und wieder stolpert man über Worte, dir eigentümlich vertraut klingen. Das "butirbrod" ist eins davon. Ausgesprochen wird es "Butterbrot" und bedeutet soviel wie Butterbrot. Also auch. Weiters subsumiert der Russe alle Arten belegter Brote unter den Begriff, auch mit Kaviar, Wurst, Ei oder eben mit Butter.

Ein freundlicher Zug des Landes, welcher es auch Menschen aus Deutschland ermöglicht ohne jegliche Sprachkenntnisse zu überleben. Einfach in den nächsten Laden gehen und akzentfrei Butterbrot sagen, und schön kann das Leben weitergehen.

In der lokalen Keilschrift stellt sich das so dar:

Бутерброд

Samstag, August 13, 2016

Putin charasho. Hitler kaput. - Wo die Zeit schläft

Pierwomaiskoje, Dorf des ersten Mais (der Monat, nicht die Feldfrucht), ehemals Franzosen, eine Gründung der Wolgadeutschen, unter ihnen auch Darmstädter, ein Fakt, der einiges erklärt, im 17. Jahrhundert und seither weitestgehend unverändert.

Im wirklichen, wörtlichen, absolut realen Sinn. Die Häuser sind aus Holz, tragen ihre Toiletten außen, die Straßen sind wie Mütterchen Russland sie schuf, aus nackter Erde und die dörfliche Wirtschaft konzentriert sich auf Aussetzen, Verlieren und Wiederfinden unterschiedlicher Huftiere.

Es gibt 3 Steinhäuser, wovon 2 noch stehen, das örtliche Parteibüro sowie ein ominöser "Klub" - den man hier tatsächlich mit K schreibt - von dem man mir aber nicht hinreichend glaubhaft erklären sollte, welche Art Mitglieder er aufnimmt. Das dritte ist nur noch eine Ruine und bleibt es auch, weil sie sich einfach zu schön in die Landschaft einfügt und aus Kostengründen stehen bleibt.

Die Kinder grüßen freundlich und jeden, auch mich, was mich zunächst verwirrte, weil ich von jeder Kackbratze, die mich unaufgefordert anspricht erst mal annehme, dass sie mich beleidigt. Erst nachdem ich einem Kind prophylaktisch eine zentriert hatte, wurde der Irrtum aufgeklärt und nach Reparationszahlung einer Kuh sowie eines Päckchens amerikanischer Zigaretten und eines Paar Nylonstrümpfen war dir Sache bereinigt.

Kinder fahren fröhlich auf uralten Fahrrädern zwischen umher rumpelnten Landmaschinen im oberen Megatonnenbereich, die versuchen nicht in den allgegenwärtigen Schlaglöchern ein Fall für die Medien zu werden. Ältere und Jüngere sitzen, nicht immer auf Bänken oder Stühlen sondern gern mal auch einfach so auf den Boden, im Gras tummeln sich allerlei Getier, Hühner, Ziegen und Kühe und ein ruhiges Summen liegt über der Szene, so wie man es von warnen Sommertagen auch bei uns kennt, wenn man eine Wiese findet, auf der man kostenneutral liegen darf.

Es ist ein wahres Idyll.

Oder WÄRE es, wenn da nicht zwei verdammt nochmal saublöde Dinge wären, dir in ihrer Sinnlosigkeit nur noch von der Zölibatsregel der Katholiken übertroffen wird.

1. Der Nachbarhund. Eine hysterische, gollum'neske Schande für seine Art. Klein, verschlagen und bellend. Er bellt den ganzen Tag. Und die ganze Nacht. Kein männlich baritonales hundeherrenrassenbellen, nein, so ein wimmernd-winseliges, durch Mark, Bein und vor allem auch Ohropax dringendes Wiffen, das selbst den eingefleischtesten Canidenfan zum Mengele an der gesamten Art werden lassen will. Verwunderlich ist nur die ans manische grenzende Nachhaltigkeit, mit der diese Dreckshöllenausgeburt aus der Handtasche Paris Hiltons kläfft. Auch nachts, vor allem nachts. Diese fiese Filzlaus liegt, schläft und bellt dabei, muss dafür nicht mal mehr geistig anwesend sein, hat bellen zum rein vegetativen Akt erhoben.

UND NIEMANDEN INTERESSIERTS!

Die Dörfler hören entweder "drumrum" oder haben sich dran gewöhnt, die Hörstäbchen gezupft oder sind die ganze Zeit bis zum Stirnlappen bekifft, aber ich war der einzige, dem das überhaupt aufgefallen ist. Natürlich stieß mein Vorschlag, die Kacktöle erst mit Nägeln am Schuppen zu fixieren, um sie dann langsam zu häuten, damit sie rafft, warum sie das jetzt durchmacht, auf nachsichtiges Unverständnis, weil Hunde nun einfach bellen und ich mich schon dran gewöhnen würde.

Ich habe mich nicht dran gewöhnt.

2. Der Bahnübergang. Der durch den Ort verläuft. Und welcher nicht beschrankt ist. Schranken sind teuer, blockieren den Weg und gehn im Winter kaputt. Was macht man also stattdessen, als quasi logische Alternative zur Schranke? Richtig, man installiert eine Klingel. Eine Klingel die jedesmal 10 Minuten vor der Durchfahrt eines Zuges beginnt zu klingeln und nach der Durchfahrt einfach noch 10 Minuten dranhängt, nur um auf der sicheren Seite zu sein. Das Klingeln selbst hält natürlich niemanden von nix ab, aber es ist eine super Sicherungsmaßnahmen, weil sie nix kostet und auch im Winter weiter völlig sinnlos ist, aber funktioniert.

Zwei weitere Fun Facts machen das gesamte Ausmaß der Tragödie noch griffiger. Zum ersten handelt es sich bei der Klingel nicht um eine handelsübliche Schul- oder Pausenklingel. Nein, es ist die Klingel from Hell, eine Foltermaschine aus einer mit angereicherte Uran verstärkten Schelle mit vierfach Titan-Molybdän-Klöppeln, die so ihre gut 200 bis 250 Dezibel reinsten Schellenterrors produziert.

Weiterhin fahren russische Züge eher gemächlich durchs Land, welches so groß ist, dass beeilen eh keinen Sinn hätte, also kann man es auch lassen. Wenn man aber schon mal unterwegs ist, dann soll sich das auch lohnen, deswegen ist der russische Zug lang. Sehr lang. Lang und langsam. Manche Züge fahren schon in Moskau ein, sind dabei aber in St. Petersburg noch garnicht abgefahren. So lang sind die Dinger. Und 2 solcher Monster quälen sich pro Stunde durch die Steppe und das Dorf.

Die Klingel steht nie still. Auch nachts nicht. Die Klingel klingelt, Gollum bellt und ich liege im Bett mit mehreren Schichten Ohropax im Kopf, sodass die im rechten Gehörgang die aus dem linken schon beginnen rauszudrücken. Und die natürlich völlig sinnlos sind, will sie die Höllenfrequenzen von Dreckstöle und Stalins Gulag-Klingel nich absorbiert.

So hilft nur die Flucht in einen wodkaunterstützten Komaschlaf. Zum Glück gibts das hier reichlich.

Wodka.

Freitag, August 12, 2016

Putin charasho. Hitler kaput. - UAZ

Wenn man sich von der westlichen Vorstellung trennt, Autofahren muss unbedingt irgendwelchen Regeln folgen, kann das durchaus freudvoll sein. Alles was es dazu braucht, ist ein prähistorisches Produkt russischer Automobilbaukunst, das aussieht, als hätte ein Panzer und ein U-Boot gemeinsam einen Stahlträger vergewaltigt. Ergebnis dieser Tat ist der berühmt berüchtigte UAZ Geländewagen. Unverändert seit 1971 von den dnjepropjetrowkischen UAZ-Werken exklusiv für den russischen Markt gebaut, repräsentiert der UAZ, der umgangssprachlich UAZik genannt wird, die Antwort auf die Frage "Wie in Lenins Namen komme ich von Nischni Novgorod nach Omsk, wenn da keine nennenswerte Straße oder auch nur ebene Fläche ist?". Der UAZ schafft genau das. Ausgestattet mit dem automobilen Mindestmaß Motor, Getriebe, Lenkung und je zwei mittelschweren, drehbaren MG, pflügt und tranchiert man sich den Weg auch und gerade dort, wo es bisher noch keinen gab. Mit der Eleganz einer Lobotomie ohne Narkose rüpelt sich das knapp 2 Tonnen schwere, aus besten russischen Stahl zusammengeschweißte Monstrum durch Taiga, Tundra und Steppe und sorgt dabei nebenher dafür, dass aus akuten Rückenschmerzen chronische werden. 90 PS aus 4 Zylindern sorgen für Vortrieb, der einem zwar nur verhalten beeindruckt, im Gelände aber so dermaßen nachhaltig abgegeben wird, das nur wenig ihn stoppen kann. Dabei überhitzt die Benzinpumpe schnell einmal und muss dann mit Wasser begossen werden. Eine Zigarettenpause, ein kurzes Gebet an Väterchen Stalin und weiter geht der wilde Ritt. Dabei hält sich der Verbrauch in überraschenden Grenzen, die für ein Fahrzeug dieses Kalibers beachtlich sind. Mehr als 20 Liter gönnt er sich nämlich nicht, der dicke Russe. Kein schlechter Wert. Unnötig zu erwähnen, dass all der moderne Rotz, der heute Autofahren eher zum betreuten Ausflug für verhaltensoriginelle Kinder macht, vollumfänglich fehlt. Servolenkung? Geh trainieren, Weichei. Klimaanlage? 2 Klappfenster sorgen für Durchzug ohne Leistungsverlust. ABS? konzentriere dich, Horst! Und klar, Regensensor, Spurassistent Arschkraulautomatik müssen draußen bleiben. Stattdessen rammt man die Gänge mit der Zärtlichkeit einer Bullenabsamung ins gusseiserne Gedärm, der Motor quittiert das Go-Kommando mit pulmonal auffälliger Lärmigkeit und dann werden Berge geglättet.

Ein Auto also für echte Jungs mit Benzin im Blut und Hoffnung im Herzen. Ein Auto, das den Defender als erbärmlichen Luxusliner für dekadente westliche Edelfrauchen entlarvt. Ein Auto, das ich unbedingt haben muss. Für um die 2000 Euro bei jedem gut sortierten Schrotthändler.

Mittwoch, August 10, 2016

Putin charasho. Hitler kaput. - Autofahren

Um es kurz vorab zu sagen: in Russland? Besser nicht!

Die russische Interpretation von Autofahren ist unter einigen Psychologen unbestritten der Schlüssel zum Verständnis des Russen. Der Russe bewohnt das größte Land der Welt, ist aber als Gesellschaft nicht in der Lage, ein halbwegs vernünftiges Auto zu bauen oder Strassen. So kommt es, dass der Russe gezwungen ist, mit technisch ins karikative spielende Konstrukten auf Straßen zu fahren, die selbst für moderne Panzer eine Herausforderung für Fahrwerk und Ausdauer der Besatzung darstellen würden.

Die russische Infrastruktur ist der große Gleichmacher, die Straße gewordene Umsetzung des sozialistischen Gedankens. Teurere Importvehikel mit Stern oder auch Eingeboreneningenieurskunst fahren einträchtig um Schlaglöcher, in denen nicht selten Geologen nach Saurierknochen graben, sie kreiseln  beim Versuch, die Spur zu wechseln ins Biotop, welches das Straßenbankett bildet, sie stehen brüderlich Stoßstange an Stoßstange in kilometerlangen Staus, die von 2 Strassenarbeitern, die sich um einen Hammer kloppen, ausgelöst werden.

Umso verbissener versucht nun aber doch jeder, wenn der Verkehr fließt, vor dem jeweils anderen zu fließen. Der neureiche Bonzenbenzfahrer, um zu beweisen, wie clever es doch war, sich reichzuerben, der überzeugte Ladafahrer, um zu beweisen, dass russische Autos besser als ihr Ruf sind.

Und so entsteht natürlich Krieg. Ein Krieg, der Opfer fordert, deren Heldendenkmale an beiden Seiten der oftmals mit Raketentestgeländen verwechselten Straßen. Liebevoll gepflegt von den Heldenmüttern, die ans Grab ihrer gefallenen Kinder aber doch nur zu Fuß kommen, weil das Anlegen von Familiengruften am Straßenrand ungern gesehen wird.

Putin charasho. Hitler kaput. - Stalingrad

Heute um 4 Uhr brachen erste Hondaspitzen, vom Norden kommend, Richtung Stalingrad auf. Die Moral der Truppe ist uhrzeitbedingt wankend aber im Kern unerschütterlich. Man rechnet mit Erreichen des Ortszentrums gegen 9 Uhr am Morgen, Widerstand wird aufgrund herrschenden Friedens nicht erwartet, allerdings geht der kommandierente Feldwebel davon aus, dass die Nummer nicht günstig wird. Bis zu 500 Rubel pro Person werden abgeschrieben. Details folgen, sobald sie vorliegen.

Mother Russia

Mutter Russland ruft die Kinder des Landes zur Blutspende. Alle kommen und 43 haben wir gemeinsam ne große Sause hier am Hang gemacht. Dem zum Gedenken hat die russische Bescheidenheit ein 80 Meter Monumentalmonument in den Boden gezimmert, das seinesgleichen sucht. Und tatsächlich treibt es einem die Gicht ins Genick beim erinnern daran, was hier gelitten wurde. 


Großes Leid, große Füße.

Dienstag, August 09, 2016

Putin charasho. Hitler kaput. - Wetter

Ich habe meine eigene, sehr durch amerikanische und NATO Propaganda geprägte Vorstellung darüber, wie es in Russland auszusehen hat. 1. In Russland ist Winter. Immer. Auch im Sommer. Und am schlimmsten ist der Winter im Herbst, will es da dauernd regnet und alles sieht aus wie Bitterfeld im Sommer, also nicht schön. 2. In Russland ist immer Nacht, genauer, aus irgendwelchen zeitdilatorischen Gründen ist es immer so ca. 23.15 Uhr. 3. Irgendwer schlägt immer auf einen mächtigen Gong und danach beginnt ein Chor mit den absingen russischer Kinderlieder, also tieftrauriger, in den Selbstmord treibender Weisen. Dann kommt der Fiesling, meist ein russischer General, der die Welt beherrschen will und nur mit knapper Not von Bond, James Bond davon abgehalten werden kann.

So muss Russland sein.

Kann man glauben. Muss man aber nicht.

Unglaublich heiß ist es, weit jenseits der 30 Grad und während ich aussehe wie eine Gießkanne, ist der Russe trocken wie ein guter Weißwein. Die Sonne brüllt unerbittlich und die Hitze liegt über den Land wie ein fetter, deutscher Tourist auf einer thailändischen Prostituierten. Und auf der Straße ist der Verkauf und Verzehr von Bier verboten.

Schlechte Kombi.

Putin charasho. Hitler kaput. - Fun facts on: Cafe Mechta

Der Erstkontakt mit der russischen Gastronomie fand in einem Moskauer Randbezirk statt. Geführt von unserem lokalen Supermodel Ira (Pro Tipp: Supermodels geben prima Reiseführer ab. Die Auftragslage ist meist bedenklich und ein Supermodel ist quasi berufsbedingt nicht fähig Nein zu sagen.) fanden wir schnell den Weg ins Cafe Mechta. Vor dem Eingang wildest geparktes SUV Gesocks hätte mir ein Zeichen sein sollen. Keine Schleuder unter 80K.

Im Cafe Mechta begrüßte uns zunächst der Security-Schrank von den Ausmaßen eines T34 mit einem freundlichen GRMPF, sogleich sprang aber eine wunderschöne mitt-Zwanzigerin ins Bild, deren Arbeitsvertrag das Tragen von Kleidern die unterhalb einer gedachten Linie Bauchnabel - Hüftknochen endet, verbietet. Das Wesen schwebte ca 20mm über den Boden und es geleitete uns zu unserem Tisch, unter einem immer heftiger werdenden Kunstnebelschleier, der wetter- und hitzebedingt ins Caféinnere geblasen wurde, und bestimmt bei so manchem Toupetträger zu einem ungewollt frühen Outing bezüglich des wahren Zustandes seiner Haarpracht geführt hat.

Am Zieltisch angekommen entschwebte das Wesen, wohl nach irgendwo anders auf der Welt die Geburt des Heiland anzukündigen oder ein Kind vor Unheil zu bewahren. Ersetzt wurde der Engel durch ein etwas geerdeteres Bedienungspersonal, dessen Rezitation der vorhandenen Biersorten doch ein wenig zu mechanisch, zu einstudiert klang, um tatsächlich ein Gefühl individueller Herzenswärme aufkommen zu lassen. Dennoch entschieden das Supermodel und ich uns für das typisch russische London Pride, nur dass ich meines nicht nach Verzehr erbrach weil mir mein Hüftumfang mittlerweile völlig am Arsch vorbei geht. Wir bekamen das Bier sehr zügig, ohne aber unsere zuvor kredenzten erhitzten feuchten Handtücher zu ignorieren, dir es klar auch gab.

An den anderen Tischen vergnügten sich derweil die üblichen Halbweltgestalten, von denen man, wenn man seine Gelenke mag, sich am besten keinen Rubel leiht. Irgendwoher muss die Kohle für die G-Klasse ja kommen. Alle Jungs in der 2-Meter-Plus-Klasse, die Mädels in der 500 Euro-pro-Stunde-Klasse und zusammen umgeben von der Aura absoluter Friedfertigkeit und dem unbedingten Willen, beim geringsten Anlass komplett auszuticken  und Leute unglücklich zu machen.

Nach zwei Bier muss man eines wegbringen, das ist altbekannt. Und der Weg zum Klo gestaltete sich trotz der unbestreitbar vorhandenen Sprachbarriere völlig unkompliziert. Der Gesichtsausdruck eines Menschen mit Harndrang scheint international keiner Übersetzung zu bedürfen und führt dazu, dass man sofort den Weg gewiesen bekommt, mit Sprachunterstützung oder ohne.

Die Toilette selbst geht für beide, Jungs und Mädchen, deshalb spart man sich entsprechende Kennzeichnung. Wer dann wie doof vor den beiden Türen zögernd sein Basislager errichtet, bis eraufgrund von Beobachtung herausfindet, wer jetzt genau wohin gehen darf, outet sich sehr schnell als Tourist. Mir deutete eine Klempnerin, die für geordnete Zustände auf den Klo verantwortlich war, dass ich das rechte besuchen dürfe.

Ein Traum in Marmor, Gold und handgefalteten Stoffhandtüchern. Unglaublicher Aufwand, der jedem deutschen Redtauranbetreiber den Offenbarungseid ins Gesicht treiben würde.

Auf Anfrage beim Supermodel, ob es sich beim Cafe Mechta um ein eher gehobenes oder normales Etablissement handelt, meinte sie, das wäre für Moskau eher normal.

Ich möchte mal die echt abgefahrenen Luxus Bummse sehen.

Putin charasho. Hitler kaput. - Olga

Olga ist Julias Tante und in ihrem "staryj Dom", im alten Haus,wohnen wir die ersten drei Tage. Olga ist ca irgendwas um die 50 und von Hause aus Russin. Das impliziert die völlige Unfähigkeit, irgendwas anderes als Russisch zu sprechen, aber ich kann nicht mal das und muss deshalb mal ganz ruhig sein.

Auf jeden Fall manifestiert sich Olgas Unfähigkeit, mit mir zu kommunizieren darin, mich zu füttern. Das scheint eine Kulturkonstante zu sein. Trotz meiner immerhin mittlerweile stolzen, meist äquatorial verteilten 80 Kilo, wecke ich bei Frauen mittleren Alters immer noch einen ausgeprägten Schutz- und Fütterungstrieb.

"Iss, Bub, iss, du siehst aus, wie im Krieg!" scheint das zu sein, das sie dauernd sagt, jedenfalls verhält sie sich so. Kuchen, Wurst, Suppe, Fleisch, Kartoffeln, Fisch... Iss, Bub, iss!!!

Nach nicht ganz zwei Tagen beginne ich, Tiefe Spuren im russischen, ungeteerten Boden zu hinterlassen, kleinere Objekte kreisen um mich, wie Gagarin einst um die Erde.

Widerstand ist natürlich zwecklos. Oder hat jemals irgendwo, irgendwann eine Mutter aufgehört, Futter auf den Teller tu häufen, nur weil man sagte "es reicht, hör auf, mein Arzt bekommt Krämpfe, wenn er das sieht!"?

Nein. Eben.

Ich muss schließen. Es gibt Essen.

Putin charasho. Hitler kaput. - Im Nachtzug nach CAPATOB

Moskau war kurz und heftig, unterstützt von Ira, einer lokalen Bekannten. Nach ebenfalls kurzem, aber wiederum heftigen Kontakt mit der lokalen Gastronomie (2 London Pride) spielte der Spielmannszug der Moskauer Heilsarmee nur für uns ein Abschiedsständchen an Gleis 1 und wir bezogen nach einer weiteren, aber gründlichen Passkontrolle unser Heim für die nächsten 15 Stunden. Klein aber unser, nur gestört von einem jungen Mitrussen, der aber friedlich auf seiner Pritsche brüllend laut irgendeine kamtschatkianische Variation von Death Metal hörte. Und wieder schaffte es der Russe den Deutschen dumm dastehen zu lassen. Etwas, was wir in Deutschland nur aus Science-Fiction Filmen kennen ist hier gelebte Normalität. Es gibt im Zug - ich lüge nicht - Essen im Abteil! Eine freundliche Bedienstete fragt nach dem Essenswunsch, ignoriert ihn und bringt nach 1 Stunde etwas, das entfernt nach Hühnchen schmeckt. Das ist keine französische Küche, klar. Aber es ist Essen, heiß, es gab Brötchen und Wasser dazu und nach einer Stunde holt die selbe Bedienstete den Müll wieder ab, gewandet in einem anderen, extra fürs Müll holen bestimmten Kittelschürz.

Der Nachtzug "fährt" nicht im westlichen Sinne durchs Land, er durchtrottet es. Sowohl rhythmisch als auch von der Geschwindigkeit her. Die Idee hinter den Nachtzug war nie, schnellstmöglich von A nach B zu kommen. Da scheitert er. Dir Idee war immer, in diesem scheißgroßen Land BEZAHLBAR von ebendiesem A nach besagtem B zu kommen. Eine Idee, dir für uns Kapitalisten völlig anarchisch erscheint. Für die nicht ganz 900 Kilometer braucht das rüttelnde und nicht nur einmal fastentgleisende Qualitätsprodukt aus sowjetischer Produktion 15 Stunden. Die Durchschnittsgeschwindigkeit kann sich da jeder selbst ausrechnen. Und dann schafft das Ungetüm eine weitere Glanzleistung, dir einen deutschen Bahnfahrer einen ähnlichen Gesichtsausdruck verpasst, wie Menschen im Mittelalter ihn gehabt haben müssen, als sie erfuhren, die Erde sei eine Kugel: schlichtes, umfassendes und am Weltenverständnis nagendes einfach-nicht-verstehen-können. Der Zug lief auf die Minute pünktlich in Saratov ein. Etwas, was für deutsche Bahn auf einer 2 Meter langen, geraden Strecke nicht schaffen würde.

Kurz und knapp: Reisender, kommst du nach Russland, nimm den Nachtzug! Gemütlicher, überraschender und vor allem auch ausgeschlafener kann man nicht reisen.

Freitag, August 05, 2016

Putin charasho. Hitler kaput! Dwa.

Nach leichtem aber herzlichen Flakbeschuss über Polen und der Ukraine haben wir pünktlich unseren Zielflughafen erreicht. Der liegt in etwa genauso in Moskau wie der Hahn in Frankfurt, dafür gibts im Zug gratis WiFi. Unglaublich, wie schnell und einfach man Deutschland blöd aussehen lassen kann.

Dir Einreise war betont liebenswert, das Waterboardingwasser war angenehm temperiert und nicht zu sehr gechlort. Am Gepäckband verhalten sich die Russen wie alle Menschen auf der Welt: sie stehen Depp im Weg und wundern sich, wenn man ihnen den 25 Kilo Hartschalensamsonite Ecke voran in die Klöten zentriert. Kein Mitleid, keine Gnade.

Jetzt mit beWiFitem Aeroexpress nach Moskau Downtown. Ma gucken wir der Zar so haust.

Putin charasho. Hitler kaput!

Unsere Tupolew steht mit brüllenden Sternmotoren auf der Startwiese. Captain und Copilot trinken sich noch schnell in Startlaune mit ein paar schnellen Gläsern Wodka und Bier, aus den Tanks leckt überflüssiges Benzin und der Schmiermaxe zieht verhaltensauffällige Schrauben nach. Sie beginnen gleich mit den absingen der Nationalhymne und dann kann es auch schon losgehen. Mit Putin im Herzen und Hoffnung im Blick fliegen wir ins Land von Zar und Zimmermann, Kalaschnikow und Wodka und wenn ich an 23. nicht wieder da bin gedenkt meiner als den hübschen Tausendsassa, der ich war. Do swidania, wir sehn uns auf der anderen Seite!

Montag, August 01, 2016

Putin charasho. Hitler kaput. - Einleitung 1

In einem an Spannung armen Leben macht man sich seine Abwechslung selbst. Hilft ja nix. Und so beschloss ich, mir eine russischstämmige Frau zu suchen, die ihrerseits wiederum deutschstämmig ist, womit sich der völkische Kreis schließt und niemand von der AfD muss hier "DURCHRASSUNG" schreien.

Und so kamen wir also schon vor einem Jahr überein, doch mal zu schauen, wo der weibliche Teil meiner Beziehung herkommt und wie's da heute so aussieht. Russland ist groß, Moskau ist weit und Saratow kennt keine Sau, außer die Leute, die von dort kommen, was die meisten sind und weswegen dort fast keiner mehr ist, außer schlappen knappen 800.000, aber das sind verwirrte Einzelgänger, die in der Wolga noch nach Aalen angeln und gelegentlich das junge Zarenreich gegen die wilden Horden aus den tiefen der uigurischen Steppe verteidigen. Die Faktenlage ist somit dünn und erfordert die persönliche Investigation.

Diese beginnt am Freitag. 5.8.2016, knapp 75 Jahre nachdem mein Oppa sich schon mal auf den Weg machte, damals noch auf Ketten.

Wir werden fliegen. Mit der Lufthansa. Was ich eigentlich als zu wenig authentisch ablehnte und wobei ich den Flug mit der Aeroflot bevorzugt hätte. Zum einen, weil Aeroflot schon recht programmatisch zügig und somit weniger luftfrachtlastig klingt als eben Lufthansa. Auf der anderen Seite neigt die urdeutsche Hansa zur korrekten Beendigung ihrer Flüge auf allen verfügbaren Reifen, darüber hinaus wird bei Aeroflot nach glücklicher Landung nicht geklatscht, was mich als treuen Mallorcajockey sehr enttäuscht und somit die Wahl der deutschen Luftlinie rechtfertigt. Das nimmt schon die Anspannung aus der Anreise,  erhöht aber die Wahrscheinlichkeit, rein physisch in der Lage zu sein, weitere Erfahrungen zu machen. "Tote gehn nicht in die Banja", ist ein altes russisches Sprichwort und soll auf diesem Trip beherzigt werden.

Ich muss zugeben, ich bin völlig entspannt. Viele Menschen sind ja bei der Aussicht, in Bälde in ein kosten- und visumspflichtiges Land zu reisen, dessen innenpolitische Lage so stabil ist wie der griechische Arbeitsmarkt und  dessen politische Elite genauso viel Zuversicht einflößt wie ein Gebrauchtwagenhändler, der sein Büro in einem Auto ohne Nummernschilder aber mit laufendem Motor hat, geneigt, in schreiende und hilflose Panik auszubrechen. Meist mit dem Versuch einhergehend, sich mittels bei der Polizei ersteigerter Handschellen ans heimische Treppengeländer zu ketten und die Reisekosten kalt lächelnd abzuschreiben, aber bitte, bitte, nicht wirklich nach Russland reisen zu müssen. Dieser Art amygdalanischer Überreaktion kann ich aufgrund meines überlegten und streng rationalen Wesens nicht verfallen. Auch, und vor allem, weil mein Wissen über Russland, das Herkunftsland der Liebe meines Lebens, umfassend ist.

So frug ich, noch ganz am Anfang unserer gemeinsamen Reiseplanung, ob es für mich als deutschen in der 3. Generation auch sicher sei, dorthin zu reisen. Und ob es nicht doch noch gegebenenfalls schlechte Stimmung in der Bevölkerung geben könnte, die, wenn sie eines Deutschen angesichtig werden flugs die sich seit Generationen im Familienbesitz befindliche und für die russische Seele so ikonische AK47 entfetten, beherzt durchladen und ganz grob in meine Richtung halten, einhergend mit der auf russich geäußerten Aufforderung, die Hände jetzt ganz langsam nach oben zu nehmen, mich umzudrehen und dann einfach mal 3.000 KM Richtung Westen zu gehen. Die Reaktion meiner mir noch nicht rechtlich aber doch emotional Angetrauten war eher erschrocken aufbrausend als hilfreich im Eigentlichen. Was ich mir vorstellen würde, was Russland für ein Land sei, ob ich so vollkommen von der in meiner Jugend herrschenden NATO-Propaganda verseucht sei, dass ich nicht mehr selbst denken könne, ob ich denn kein Fernsehen schaue und ob ich denn so ganz generell noch alle Lampen am Baum hätte, so einen Scheiß mir auch nur zu denken. Russland ist modern, Russland ist weltoffen und die russische Gastfreundschaft ist so dermaßen sprichwörtlich, dass die Araber zuerst das Sprichwort und dann den Tee klauten, um es dann Jahrhunderte später als ihre Gastfreundschaft auszugeben, die ihresgleichen auf der Welt suche.

Das war mir natürlich sofort peinlich und leicht errötend stellte ich mich für 10 Minuten in die Ecke, um über meine provinzielle Engstirnigkeit nachzudenken und auch, um mir klarzuwerden, dass ich in ein Land reisen werde, das so viel anders nicht ist, als das, aus welchem ich komme.

Außer vielleicht, dass das Thema "Infrastruktur" in Russland nicht so ganz weit oben auf der Prioritätenliste steht, wie im verweichlichten Deutschland. Dort, wo der Deutsche eine Straße erwartet, so sagten mir viele ex-Russen, erwartet der Russe einen Bandscheibenvorfall, weswegen der Deutsche die CDU wählt, damit endlich die Straße gebaut wird und der Russe sich einen Niva kauft, weil andere internationale Automobile -oder gar SUVs- auf den Kontakt mit der russischen Piste ähnlich reagieren, wie Drakula, wenn er mit Sonnenlicht in Kontakt kommt.

Ein kleiner, ein zu vernachlässigender Unterschied, der auch noch auf unserer urdeutschen, ungesunden Fixierung aufs Automobil und unseren Hang zu dekadenter Bequemlichkeit fußt. Alles andere, die wesentlichen Dinge, da sind wir gleich, da tickt der Russe wie der Deutsche, das sind wir Brüder im Geiste.

Außer vielleicht, dass das Thema "Leben auf dem Lande" in Russland noch etwas fundamentaler ländlich orientiert ist, als bei uns in Deutschland. Ist hier "Landleben" so eine Art Stadtleben mit Wurst und Kuhduft  nach Sonnenuntergang, so nimmt der Russe die Themen "Dorf" und "außerhalb" noch sehr viel ernster. Auf dem Dorf gibts nix, heißt es, unter anderem auch von Leuten, die noch unlängst in einem lebten. Strom, gibts! Regelmäßig bis zu 2 Stunden am Tag. Straßen, gibts! Nicht geteert, nicht befestigt, nicht reglementiert und auch nicht immer in einem durchgängigen Aggregatzustand, aber dafür gibts ja den Niva wie oben schon erwähnt. Straßennamen sind, logisch, unnötig, da hier jeder jeden kennt und man sich sowieso per Akklamation orientiert. "Sergeij Sergeijwitsch, waaißt Du wo wohnt Chaus mainiges? Iäch bin sääähr von Wodka inspiriert und waiß niächt, wie kommä iäch chaim!" und prompt schallts aus vom nächsten Grundstück "Nikita Nikititsch, iäst ägahl, komm und trink mit miär noch Wodka ainen für die Naacht!". Wer braucht da Adressen?

Dies sollen nur zwei kleine Beispiele sein, wie wenig sich unsere Länder und Kulturen unterscheiden. Wir sind Brüdernationen, uns so ähnlich, dass jeder Versuch, die Unterschiede zu beschreiben, schon im Keime zum scheitern verurteilt ist.

Wie gesagt, Freitag gehts los.

Ich bin immer noch sehr entspannt und Blicke allem mit heiterer Gelassenheit entgegen.

Tramal. Tramal hilft.