In Russland muss man sich als Tourist anmelden. Mehrfach. Manchmal
täglich. Es gibt begründete Vermutungen, dass ein Teil des
wirtschaftlichen Aufschwunges des Landes dem Umstand zu verdanken ist,
dass die Putin-Administration Anmeldepersonal stochastisch über das Land
verteilt und somit in Lohn und Brot gebracht hat, deren Aufgabe es ist,
Menschen anzumelden oder, falls dies bereits geschehen ist, die
Anmeldung zu überprüfen. Und so musste ich mich - Visum hin, 2 Stunden
Passkontrolle am Flughafen her - auch in der nächstliegenden Kreisstadt
anmelden. Aufgrund meines doch noch recht einsilbigen Russisch übernahm
eine zum Glück mit meiner Frau befreundete Einheimische, die darüber
hinaus auch noch Juristin und im Besitz einiger kompromittierender Fotos
des lokalen Babo ist, die notwendigen Formalitäten, sodass das alles
reibungs- und bestechungsgeldlos über die Bühne ging. Erwähnenswert
dabei bleibt lediglich die durch westliche Denkmuster beeinflusste
Vorstellung darüber, was die "nächstliegende Kreisstadt" ist. Unter
"Kreisstadt" stellt sich der Bewohner der westlichen Welt ein
Mittelzentrum aufstrebender Prägung vor, in welchem sich Tugend und
Gemütlichkeit dörflichen Lebens mit der Ambition und der Mondänität
städtischer Kultur vereinen.
Das kann so sein, muss es aber nicht.
Dass
"Kreisstadt" auch ohne irgendeinen Anspruch an ein Anderssein als die
nächste mikrobische Konglomeration auskommen kann, zeigt Krasnoarmeijsk.
Krasnoarmeijsk, ehemals Balzer und deswegen als deutsche Gründung aus
der guten alten Zeit zu erkennen, ist jene Kreisstadt. Der Name bedeutet
soviel wie "Rote-Armeehausen" und wurde von Väterchen Stalin nur
deswegen so genannt, um die verbliebenen Deutschen zu ärgern. Die lose
Ansammlung nicht immer vollständig erhaltener Häuser verfügt über alles,
was der Russe zum Leben braucht, was im Einzelnen ein Handyladen, ein
bis zwei Kwas-Stände und ein lokaler -wie bereits erwähnt- Babo ist, der
alles korrumpiert und den Laden am Laufen hält. Darüber hinaus verfügt
es über die hinlänglich bekannten Marterstrecken für Gelenke und Achsen,
die nur hartgesottene Euphemismenfreunde als "Straße" bezeichnen
können. Hunde nagen scheu an verendeten Opfern des russischen Sozialsystems und mit
Verlassen der Stadtgrenzen fällt das Atmen leichter.
Man
munkelt, der Ort hätte nur deswegen noch alle Einwohner, weil die
Flucht durch die Steppe nahezu unmöglich sei. Da ist was dran.
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Bebauungslücken prägen das Stadtbild. Wo nichts ist, kann nichts verfallen. |
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Kwas in Hülle und Plastikfässern. Die Kunden passen sich figürlich an. |
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Antike trifft Altertum. |
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"Wenns noch steht, ist es von den Deutschen", sagen die Russen. Und die müssen es ja wissen. |
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Aktivhaus anno 1740. Warm im Sommer, frisch im Winter. |
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Mit Liebe zum Detail und Laissez-Faire im Groben. Wohnen heißt Leiden. |
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Fremder, tritt nur ein. Sei zu Gast bei Freunden. |
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Schule? KGB-Zentrale? Diversifizierung ist alles. |
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Infrastruktur ist Ansichtssache. Mit dem Land leben, nicht dagegen. |
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Nah am Mast gebaut reduziert Transportverlust. |
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Abstand zum Nachbarn verbessert das kommunale Miteinander. |
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Älter ist nicht immer hässlicher. |
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Religion ist immer auch eine Frage der Neigung. |
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Kulturpalast und Bibliothek. Alles für die Kinder. |
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Ein Herz für die kyrillische Schrift. Facebook a la Russe. |
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Nitschewo Hopfenstroh und der Mops sowieso. |
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Stadt, Dorf, Schlagloch: Nur echt mit Lenin. |
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Der russische Stechschritt im Bas-Relief. Nicht zuhause nachmachen! |
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Denkmal zu Ehren der Mutter, die die Haltungsschäden der Kinder russlands betrauert. |
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Der Markt ist kompakt, übersichtlich, warenarm und zentral gelegen. Parkplätze sind die erste Stunde gratis. |
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Denkmal der sinnlosesten MG-Stellung des Großen Vaterländischen Krieges. |
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Auf dem Weg, sich tot übern Zaun zu hängen: russicher Hund. |
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