Montag, März 11, 2013

Elche! Sie sind überall!

Schweden gilt als Land der Elche. Jeder Schwedenurlauber bringt geradezu zwanghaft Elchfotos mit und beeindruckt die Zurückgebliebenen mit teils herzergreifenden, teils pompösen Geschichten über Begegnungen mit diesen majestätischen Tieren. Wie sie da wahlweise im Sonnenauf- oder Untergang urplötzlich auf der verlassenen Straße vor dem Leihvolvo auftauchen, wie sie als fürwitzige Kulturfolger rattengleich die Biotonne vor dem Hause nach Essbarem durchsuchen oder wie sie einfach nur idyllisch in des Waldes Lichtung röhren und die Dinge tun, die Elche tun, wenn sie sich beobachtet fühlen.

Diese Geschichten sind vieles. Schön, wohlfeil formuliert, wie oben schon erwähnt beeindruckend, künden von Ferne und Skandinavien, erzählen von Kälte und nordischer Exotik. Vor allem aber sind solche Geschichten eins:

 BULLSHIT!!! VON VORN BIS HINTEN ERSTUNKEN UND ERLOGEN! SEEMANNSGARN UND SCHAUERMÄRCHEN! ES GIBT KEINE ELCHE IN SCHWEDEN. GAB'S NIE, GIBT'S NICHT UND WIRD'S NIE GEBEN. DRECKSVIECHER VERRECKTE HEIMLICHTUENDE, ZU GROSS GERATENE REHE MIT HÄSSLICHEN GEWEIHEN UND VIEL ZU DICKEN NASEN. ELCHE HAM NEN KLEINEN SCHWANZ, SIND HÄSSLICH, STINKEN, SIND ADOPTIERT UND KEINER HAT SIE LIEB!!! 

Der durchschnittliche Elch beeindruckt durch seine Abwesenheit. Gerade in Schweden. Wahrscheinlich gibt es mehr Elche im Käfertaler Wald als in Schweden.

Wir sollten zum Storre Mosse Nationalpark fahren, hieß es. Die Einheimischen erachten das als witzig und jagen somit jeden Neuankömmling dort hin. Ist so ne Art Volkssport und dient der nativen Belustigung. Eine gemeinsschaftliche Beschäftigung, ähnlich dem Weihnachtsbaum-aus-dem-Fenster-werfen oder sich-bei-Ikea-Möbel-kaufen. "Hey, Snörre, da kommt 'n neuer Deutscher. Komm, den schicken wir in den Park,  'Elche gucken'". "Prima, Ole Ulfsson, dann ist der blöde Faschist mal locker 5 Stunden unterwegs, friert sich den Arsch ab und denkt, er hätt was von unserer Kultur mitbekommen."

Also fährt der Deutsche los. Über das, was sie hier "Straße" nennen. Sie nennen das ganz anders aber diese Sprache entzieht sich der mitteleuropäischen Rachenraumkonstruktion, so dass man auf die Übersetzung zurückgreifen muss. Auf den Straßen darf man maximal 110 km/h fahren, das aber nur manchmal und nicht überall und schon garnicht jederzeit. Meistens darf man nur 90 km/h fahren und auf der sicheren Seite ist man, wenn man 80 fährt. Da diese Regelung selbst den Schweden nicht einleuchtet, herrscht ein verkehrstechnisches Agreement, dass man nur 70 km/h fährt, ganz einfach um nix falsch zu machen.

Man tuckert also durch die schwedische Vortundra, die in etwa so abwechslungsreich ist wie eine Gotthardtunneldurchquerung bei Nacht und nach kaum mehr als fast nicht ganz drei einhalb Stunden ist man auch schon am Nationalpark. Der sich in absolut nichts von der anderen Umgebung unterscheidet, die man gerade durchschlichen hat. Die Bäume sind vielleicht einen Ticken kleiner und nicht ganz so grün, ansonsten sieht's halt aus wie bei Tante Erna im Schrebergarten (Tante Erna ist seit 10 Jahren tot und der Schrebergarten wird von den anderen Gärtnern als Bierdosenhalde missbraucht, Ernas Neffen und Nichten zahlen aus reiner Nostalgie die Pacht, kümmern sich aber -typisch Jugend von heute- um nix und so vermodert der Laden, es ist eine Schande!). Aber Nationalpark ist Nationalpark und dort sollen sich die Elche rudelweise tummeln, an Sonntagen auch tummelweise rudeln, mithin, man bekommt Schwierigkeiten beim Laufen weil einem überall ein Elch im Weg steht und man solle doch bitte das Weitwinkel auf die Kamera schnallen, weil man sonst nicht alle Elche fotografieren kann oder weil man dauernd so nah am Elchesrand steht, dass man mit einer großen Brennweite eh nix anfangen kann.

Und so sieht das Elchgetümmel aus:
Der spitzfindige Leser meint jetzt natürlich gleich "Hoppla, was echauffiert er sich? Der Elch lugt listig hinterm Gehölz hervor und hat sich nur versteckt!". Aber mitnichten! Kein Elch hinterm Baum, kein Elch davor, keiner daneben. Es hat sich auch keiner eingegraben. Auch fliegen sie nicht in Schwärmen über Touristen, vohn denen sie annehmen, dass diese in Bälde verenden und ein köstlich Abendmahl abgeben. Nichts. Kein Elch. Kein Elch weit. Kein Elch breit. 

Auch ansonsten hält sich die lokale Fauna erstaunlich bedeckt. Keine Vögel, keine Rehe, nicht mal Tauben. Ein totes Land. Hier, wir waren auf mehreren Hekto-Ar die einzig höhere Lebensform:
Morgen kommen Kollegen aus Deutschland. Die waren noch nicht im Storre Mosse Nationalpark. Die müssen da unbedingt hinfahren. Es ist einfach ein unvergessliches Erlebnis, wenn diese riesigen Elchherden über die Weiten der Prärie ziehen, majestätisch im Sonnenuntergang, von Horizont zu Horizont, der Staub ihrer Hufe verdunkelt die Sonne. Und es ist garnicht weit weg. Hier auf der Karte, guck, gleich da, ein Katzensprung...

1 Kommentar:

Death hat gesagt…

Ich lieg unterm Tisch! Mit Tränen in den Augen. Und: ich war auch mal im Storre Mosse Nationalpark. Im Winter. Und ich kann sagen: da gibt's wirklich keine Elche!