Montag, August 01, 2016

Putin charasho. Hitler kaput. - Einleitung 1

In einem an Spannung armen Leben macht man sich seine Abwechslung selbst. Hilft ja nix. Und so beschloss ich, mir eine russischstämmige Frau zu suchen, die ihrerseits wiederum deutschstämmig ist, womit sich der völkische Kreis schließt und niemand von der AfD muss hier "DURCHRASSUNG" schreien.

Und so kamen wir also schon vor einem Jahr überein, doch mal zu schauen, wo der weibliche Teil meiner Beziehung herkommt und wie's da heute so aussieht. Russland ist groß, Moskau ist weit und Saratow kennt keine Sau, außer die Leute, die von dort kommen, was die meisten sind und weswegen dort fast keiner mehr ist, außer schlappen knappen 800.000, aber das sind verwirrte Einzelgänger, die in der Wolga noch nach Aalen angeln und gelegentlich das junge Zarenreich gegen die wilden Horden aus den tiefen der uigurischen Steppe verteidigen. Die Faktenlage ist somit dünn und erfordert die persönliche Investigation.

Diese beginnt am Freitag. 5.8.2016, knapp 75 Jahre nachdem mein Oppa sich schon mal auf den Weg machte, damals noch auf Ketten.

Wir werden fliegen. Mit der Lufthansa. Was ich eigentlich als zu wenig authentisch ablehnte und wobei ich den Flug mit der Aeroflot bevorzugt hätte. Zum einen, weil Aeroflot schon recht programmatisch zügig und somit weniger luftfrachtlastig klingt als eben Lufthansa. Auf der anderen Seite neigt die urdeutsche Hansa zur korrekten Beendigung ihrer Flüge auf allen verfügbaren Reifen, darüber hinaus wird bei Aeroflot nach glücklicher Landung nicht geklatscht, was mich als treuen Mallorcajockey sehr enttäuscht und somit die Wahl der deutschen Luftlinie rechtfertigt. Das nimmt schon die Anspannung aus der Anreise,  erhöht aber die Wahrscheinlichkeit, rein physisch in der Lage zu sein, weitere Erfahrungen zu machen. "Tote gehn nicht in die Banja", ist ein altes russisches Sprichwort und soll auf diesem Trip beherzigt werden.

Ich muss zugeben, ich bin völlig entspannt. Viele Menschen sind ja bei der Aussicht, in Bälde in ein kosten- und visumspflichtiges Land zu reisen, dessen innenpolitische Lage so stabil ist wie der griechische Arbeitsmarkt und  dessen politische Elite genauso viel Zuversicht einflößt wie ein Gebrauchtwagenhändler, der sein Büro in einem Auto ohne Nummernschilder aber mit laufendem Motor hat, geneigt, in schreiende und hilflose Panik auszubrechen. Meist mit dem Versuch einhergehend, sich mittels bei der Polizei ersteigerter Handschellen ans heimische Treppengeländer zu ketten und die Reisekosten kalt lächelnd abzuschreiben, aber bitte, bitte, nicht wirklich nach Russland reisen zu müssen. Dieser Art amygdalanischer Überreaktion kann ich aufgrund meines überlegten und streng rationalen Wesens nicht verfallen. Auch, und vor allem, weil mein Wissen über Russland, das Herkunftsland der Liebe meines Lebens, umfassend ist.

So frug ich, noch ganz am Anfang unserer gemeinsamen Reiseplanung, ob es für mich als deutschen in der 3. Generation auch sicher sei, dorthin zu reisen. Und ob es nicht doch noch gegebenenfalls schlechte Stimmung in der Bevölkerung geben könnte, die, wenn sie eines Deutschen angesichtig werden flugs die sich seit Generationen im Familienbesitz befindliche und für die russische Seele so ikonische AK47 entfetten, beherzt durchladen und ganz grob in meine Richtung halten, einhergend mit der auf russich geäußerten Aufforderung, die Hände jetzt ganz langsam nach oben zu nehmen, mich umzudrehen und dann einfach mal 3.000 KM Richtung Westen zu gehen. Die Reaktion meiner mir noch nicht rechtlich aber doch emotional Angetrauten war eher erschrocken aufbrausend als hilfreich im Eigentlichen. Was ich mir vorstellen würde, was Russland für ein Land sei, ob ich so vollkommen von der in meiner Jugend herrschenden NATO-Propaganda verseucht sei, dass ich nicht mehr selbst denken könne, ob ich denn kein Fernsehen schaue und ob ich denn so ganz generell noch alle Lampen am Baum hätte, so einen Scheiß mir auch nur zu denken. Russland ist modern, Russland ist weltoffen und die russische Gastfreundschaft ist so dermaßen sprichwörtlich, dass die Araber zuerst das Sprichwort und dann den Tee klauten, um es dann Jahrhunderte später als ihre Gastfreundschaft auszugeben, die ihresgleichen auf der Welt suche.

Das war mir natürlich sofort peinlich und leicht errötend stellte ich mich für 10 Minuten in die Ecke, um über meine provinzielle Engstirnigkeit nachzudenken und auch, um mir klarzuwerden, dass ich in ein Land reisen werde, das so viel anders nicht ist, als das, aus welchem ich komme.

Außer vielleicht, dass das Thema "Infrastruktur" in Russland nicht so ganz weit oben auf der Prioritätenliste steht, wie im verweichlichten Deutschland. Dort, wo der Deutsche eine Straße erwartet, so sagten mir viele ex-Russen, erwartet der Russe einen Bandscheibenvorfall, weswegen der Deutsche die CDU wählt, damit endlich die Straße gebaut wird und der Russe sich einen Niva kauft, weil andere internationale Automobile -oder gar SUVs- auf den Kontakt mit der russischen Piste ähnlich reagieren, wie Drakula, wenn er mit Sonnenlicht in Kontakt kommt.

Ein kleiner, ein zu vernachlässigender Unterschied, der auch noch auf unserer urdeutschen, ungesunden Fixierung aufs Automobil und unseren Hang zu dekadenter Bequemlichkeit fußt. Alles andere, die wesentlichen Dinge, da sind wir gleich, da tickt der Russe wie der Deutsche, das sind wir Brüder im Geiste.

Außer vielleicht, dass das Thema "Leben auf dem Lande" in Russland noch etwas fundamentaler ländlich orientiert ist, als bei uns in Deutschland. Ist hier "Landleben" so eine Art Stadtleben mit Wurst und Kuhduft  nach Sonnenuntergang, so nimmt der Russe die Themen "Dorf" und "außerhalb" noch sehr viel ernster. Auf dem Dorf gibts nix, heißt es, unter anderem auch von Leuten, die noch unlängst in einem lebten. Strom, gibts! Regelmäßig bis zu 2 Stunden am Tag. Straßen, gibts! Nicht geteert, nicht befestigt, nicht reglementiert und auch nicht immer in einem durchgängigen Aggregatzustand, aber dafür gibts ja den Niva wie oben schon erwähnt. Straßennamen sind, logisch, unnötig, da hier jeder jeden kennt und man sich sowieso per Akklamation orientiert. "Sergeij Sergeijwitsch, waaißt Du wo wohnt Chaus mainiges? Iäch bin sääähr von Wodka inspiriert und waiß niächt, wie kommä iäch chaim!" und prompt schallts aus vom nächsten Grundstück "Nikita Nikititsch, iäst ägahl, komm und trink mit miär noch Wodka ainen für die Naacht!". Wer braucht da Adressen?

Dies sollen nur zwei kleine Beispiele sein, wie wenig sich unsere Länder und Kulturen unterscheiden. Wir sind Brüdernationen, uns so ähnlich, dass jeder Versuch, die Unterschiede zu beschreiben, schon im Keime zum scheitern verurteilt ist.

Wie gesagt, Freitag gehts los.

Ich bin immer noch sehr entspannt und Blicke allem mit heiterer Gelassenheit entgegen.

Tramal. Tramal hilft.

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