Donnerstag, Dezember 12, 2019

Erinnerungen an Tokio - 1 -

Es gibt bei Shibuya dieses Viertel, in welches sich die sonst prüden Tokioter, noch viel mehr die noch prüderen Tokioterinnen zurückziehen, um dort die Prüderie für einige Minuten oder Stunden zu vergessen, und sich in intimen und unauffälligen Stundenhotels gegenseitig zeigen, wo der Frosch die Locken hat.



Da das Viertel hierfür bekannt ist, in jedem Reiseführer genau dafür angepriesen wird und hauptsächlich aus Gebäuden besteht, die in allen Sprachen der Welt unmissverständlich:

- P U F F ! ! ! -

schreien, ergibt sich die hierfür notwendige Anonymität daraus, das man einfach so tut als wäre man Tourist oder man folgt der Einsicht, dass man einen Baum am besten im Wald versteckt. 




In diesem Viertel befindet sich ebenfalls eine erhebliche Anzahl der bei uns im zivilisierten Westen berühmt-berüchtigten Fugo-Restaurants. Dabei ist Fugo jener liebreizende Kugelfisch, der, wenn unprofessionell zubereitet und deshalb an der Gallenbalse verletzt, überraschend tödlich für den Konsumenten ist und dennoch - oder gerade deswegen - bei Japanern und erlebnisorientierten Touristen äußerst beliebt ist.

Die Japaner essen ihn aus Tradition, die Touristen meist aus Versehen.

Dabei geht die tokioter Szene mit der an sich zu vermutenden Anrüchigkeit des Sujets offensiv um und präsentiert die jeweilige Suizidrestaurants subtil.
Auch die Fugo-Meister, also jene, die entweder durch Glück, Können oder oppulente Bestechung der lokalen Polizei, seit Jahren im Geschäft sind, geben sich offen und präsentieren ihr Metier mit dem ganzen Stolz eines Kommissars der Europäischen Union, der genau weiß, dass Unfähigkeit einer gedeihlichen Karriere nicht immer im Wege stehen muss.
Oftmals überspringt die innerhalb der Familie tradierte Fugo-Meisterei eine Generation. In diesen Zwischen-Generationen werden die Söhne gerne Fachärzte für Toxikologie, um Papa die ärgsten Schwierigkeiten vom Leibe zu halten und dem eigenen Sohn, der dann wieder Fugotier wird, die Tücken des Geschäfts und die Vorteile des Wortes "Haftungsausschluss" zu erklären.

Ich wollte es ausprobieren und hatte mit meiner Angetrauten schon fast die erbvertraglichen Dinge geklärt, bis mir dann doch auffiel, dass die Fugos schon sehr niedlich aussehen, etwa wie schwimmende Kühe. Oder dicke Delfine. Und ich esse nichts, was niedlich ist. Und mich anschaut, mit diesem Blick eines Nachrichtensprechers, der es zum 4. Mal vor laufenden Kameras nicht geschafft hat, "Dnjepropjetrowsk" korrekt auszusprechen.
Da hatten wir dann doch nochmal Glück, wir beiden. Der Fugo und ich.

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