Samstag, August 13, 2016

Putin charasho. Hitler kaput. - Wo die Zeit schläft

Pierwomaiskoje, Dorf des ersten Mais (der Monat, nicht die Feldfrucht), ehemals Franzosen, eine Gründung der Wolgadeutschen, unter ihnen auch Darmstädter, ein Fakt, der einiges erklärt, im 17. Jahrhundert und seither weitestgehend unverändert.

Im wirklichen, wörtlichen, absolut realen Sinn. Die Häuser sind aus Holz, tragen ihre Toiletten außen, die Straßen sind wie Mütterchen Russland sie schuf, aus nackter Erde und die dörfliche Wirtschaft konzentriert sich auf Aussetzen, Verlieren und Wiederfinden unterschiedlicher Huftiere.

Es gibt 3 Steinhäuser, wovon 2 noch stehen, das örtliche Parteibüro sowie ein ominöser "Klub" - den man hier tatsächlich mit K schreibt - von dem man mir aber nicht hinreichend glaubhaft erklären sollte, welche Art Mitglieder er aufnimmt. Das dritte ist nur noch eine Ruine und bleibt es auch, weil sie sich einfach zu schön in die Landschaft einfügt und aus Kostengründen stehen bleibt.

Die Kinder grüßen freundlich und jeden, auch mich, was mich zunächst verwirrte, weil ich von jeder Kackbratze, die mich unaufgefordert anspricht erst mal annehme, dass sie mich beleidigt. Erst nachdem ich einem Kind prophylaktisch eine zentriert hatte, wurde der Irrtum aufgeklärt und nach Reparationszahlung einer Kuh sowie eines Päckchens amerikanischer Zigaretten und eines Paar Nylonstrümpfen war dir Sache bereinigt.

Kinder fahren fröhlich auf uralten Fahrrädern zwischen umher rumpelnten Landmaschinen im oberen Megatonnenbereich, die versuchen nicht in den allgegenwärtigen Schlaglöchern ein Fall für die Medien zu werden. Ältere und Jüngere sitzen, nicht immer auf Bänken oder Stühlen sondern gern mal auch einfach so auf den Boden, im Gras tummeln sich allerlei Getier, Hühner, Ziegen und Kühe und ein ruhiges Summen liegt über der Szene, so wie man es von warnen Sommertagen auch bei uns kennt, wenn man eine Wiese findet, auf der man kostenneutral liegen darf.

Es ist ein wahres Idyll.

Oder WÄRE es, wenn da nicht zwei verdammt nochmal saublöde Dinge wären, dir in ihrer Sinnlosigkeit nur noch von der Zölibatsregel der Katholiken übertroffen wird.

1. Der Nachbarhund. Eine hysterische, gollum'neske Schande für seine Art. Klein, verschlagen und bellend. Er bellt den ganzen Tag. Und die ganze Nacht. Kein männlich baritonales hundeherrenrassenbellen, nein, so ein wimmernd-winseliges, durch Mark, Bein und vor allem auch Ohropax dringendes Wiffen, das selbst den eingefleischtesten Canidenfan zum Mengele an der gesamten Art werden lassen will. Verwunderlich ist nur die ans manische grenzende Nachhaltigkeit, mit der diese Dreckshöllenausgeburt aus der Handtasche Paris Hiltons kläfft. Auch nachts, vor allem nachts. Diese fiese Filzlaus liegt, schläft und bellt dabei, muss dafür nicht mal mehr geistig anwesend sein, hat bellen zum rein vegetativen Akt erhoben.

UND NIEMANDEN INTERESSIERTS!

Die Dörfler hören entweder "drumrum" oder haben sich dran gewöhnt, die Hörstäbchen gezupft oder sind die ganze Zeit bis zum Stirnlappen bekifft, aber ich war der einzige, dem das überhaupt aufgefallen ist. Natürlich stieß mein Vorschlag, die Kacktöle erst mit Nägeln am Schuppen zu fixieren, um sie dann langsam zu häuten, damit sie rafft, warum sie das jetzt durchmacht, auf nachsichtiges Unverständnis, weil Hunde nun einfach bellen und ich mich schon dran gewöhnen würde.

Ich habe mich nicht dran gewöhnt.

2. Der Bahnübergang. Der durch den Ort verläuft. Und welcher nicht beschrankt ist. Schranken sind teuer, blockieren den Weg und gehn im Winter kaputt. Was macht man also stattdessen, als quasi logische Alternative zur Schranke? Richtig, man installiert eine Klingel. Eine Klingel die jedesmal 10 Minuten vor der Durchfahrt eines Zuges beginnt zu klingeln und nach der Durchfahrt einfach noch 10 Minuten dranhängt, nur um auf der sicheren Seite zu sein. Das Klingeln selbst hält natürlich niemanden von nix ab, aber es ist eine super Sicherungsmaßnahmen, weil sie nix kostet und auch im Winter weiter völlig sinnlos ist, aber funktioniert.

Zwei weitere Fun Facts machen das gesamte Ausmaß der Tragödie noch griffiger. Zum ersten handelt es sich bei der Klingel nicht um eine handelsübliche Schul- oder Pausenklingel. Nein, es ist die Klingel from Hell, eine Foltermaschine aus einer mit angereicherte Uran verstärkten Schelle mit vierfach Titan-Molybdän-Klöppeln, die so ihre gut 200 bis 250 Dezibel reinsten Schellenterrors produziert.

Weiterhin fahren russische Züge eher gemächlich durchs Land, welches so groß ist, dass beeilen eh keinen Sinn hätte, also kann man es auch lassen. Wenn man aber schon mal unterwegs ist, dann soll sich das auch lohnen, deswegen ist der russische Zug lang. Sehr lang. Lang und langsam. Manche Züge fahren schon in Moskau ein, sind dabei aber in St. Petersburg noch garnicht abgefahren. So lang sind die Dinger. Und 2 solcher Monster quälen sich pro Stunde durch die Steppe und das Dorf.

Die Klingel steht nie still. Auch nachts nicht. Die Klingel klingelt, Gollum bellt und ich liege im Bett mit mehreren Schichten Ohropax im Kopf, sodass die im rechten Gehörgang die aus dem linken schon beginnen rauszudrücken. Und die natürlich völlig sinnlos sind, will sie die Höllenfrequenzen von Dreckstöle und Stalins Gulag-Klingel nich absorbiert.

So hilft nur die Flucht in einen wodkaunterstützten Komaschlaf. Zum Glück gibts das hier reichlich.

Wodka.

Keine Kommentare: